IM INTERVIEW: Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Vizepräsidentin Bildung und Olympische Erziehung des Deutschen Olympischen Sportbundes)
RED: Seit 2006 ist die renommierte Sportwissenschaftlerin Dr. Gudrun Doll-Tepper als Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zuständig für den Bereich „Bildung und Olympische Erziehung“. Empfohlen hat sich die Berlinerin für diese Führungsposition durch zahlreiche erfolgreiche Initiativen und ihre langjährige Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen des Sports, u.a. durch ihre Professur am Institut für Sportwissenschaft der Freien Universität Berlin sowie durch ihre 12-jährige Amtszeit als Präsidentin des Weltrats für Sportwissenschaft und Leibes-/Körpererziehung (ICSSPE).
Einen Tag vor diesem Interview für den Newsletter der Führungs-Akademie des DOSB wurde Gudrun Doll-Tepper für ihr umfangreiches Engagement in Sportorganisationen und in der Sportwissenschaft das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
RED: Zu Beginn des Gesprächs möchte ich Ihnen auch im Namen der Führungs-Akademie ganz herzlich zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse gratulieren.
GUDRUN DOLL-TEPPER: Danke sehr. Ich habe mich sehr über diese Auszeichnung, aber jetzt auch über Ihre Glückwünsche gefreut.
RED: Einer der Gründe für Ihre Ehrung ist Ihr großes Engagement im Deutschen Olympischen Sportbund, in dem Sie sich als Vizepräsidentin „Bildung und Olympische Erziehung“ seit 2006 für eine Vertiefung und Intensivierung der Bildungsarbeit einsetzen. Wie hat sich seit dieser Zeit die Bildungsarbeit im DOSB verändert?
GUDRUN DOLL-TEPPER: Subjektiv und objektiv kann man feststellen, dass wir uns heute mit sehr viel mehr Themen auseinandersetzen müssen und auch wollen als das zu Beginn meiner Amtszeit der Fall war. Der größte Arbeitskomplex umfasste die Erstellung der neuen Rahmenrichtlinien für die Übungsleiterausbildung. Das alles gehört in den Bereich „Bildung“, zu dem dann noch eine ganze Reihe weiterer Themen hinzugekommen sind.
Darüber hinaus habe ich im DOSB-Präsidium die Olympische Erziehung zu verantworten. Hier stellen wir laufend neue Materialien zusammen, mit denen wir vor allem im Zusammenhang mit Olympischen Spielen olympische Themen, etwa für den Schulunterricht, aufbereiten.
RED: Welche Bildungsthemen stehen aktuell im Vordergrund?
GUDRUN DOLL-TEPPER: Nach der erfolgreichen Erstellung der Rahmenrichtlinien steht nun vor allem die Umsetzung der Richtlinien für die Übungsleiterausbildung auf dem Programm. Dies wird sicher ein besonderer Schwerpunkt meiner Arbeit sein. Darüber hinaus gilt es, der gesellschaftspolitischen Herausforderung gerecht zu werden: Als großer Bildungsanbieter im zivilgesellschaftlichen Bereich wollen wir, dass unsere Leistungen entsprechend gesehen und berücksichtigt werden. Dies sollte sich z. B. auch in der Berichterstattung des Bundes und der Länder zur Bildung wiederfinden. Deshalb haben wir im Jahre 2010 einen Bericht zur Bildung und Qualifizierung erstellt, der die umfangreichen Bildungsleistungen des organisierten Sports deutlich macht.
Ein weiterer Punkt ist der deutsche Qualifikationsrahmen, mit dem wir uns beschäftigen müssen: Wie passt das, was wir im organisierten Sport anbieten, in diesen Qualifikationsrahmen. Hinzu kommt, dass es auch einen europäischen Qualifikationsrahmen gibt, in den die Bildungsleistungen sowohl der formalen als auch der non-formalen Anbieter einsortiert und systematisiert werden müssen.
Seit geraumer Zeit beschäftigt uns darüber hinaus fast täglich die Rolle des Sports im Kontext mit der Ganztagsschule. Wir alle wissen ja, dass es inzwischen viele Kooperationsprojekte zwischen Schule und Verein gibt. Durch die Ausdehnung des schulischen Alltags in den Nachmittag müssen die Vereine jetzt jedoch neue Wege der Kooperation beschreiten.
Seit zwei Jahren ganz intensiv in der Diskussion steht das Thema „sexualisierte Gewalt“. Hier hat sich der organisierte Sport auch sehr engagiert. Die Vermittlung von Wissen rund um dieses heikle Thema ist inzwischen fester Bestandteil der Übungsleiterausbildung.
Und schließlich beschäftigen wir uns mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Stichwort hier lautet „Inklusion“. Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam mit unseren Vereinen, Verbänden und Organisationen die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man Menschen mit Behinderungen ihre aktive Partizipation im Sport zur Verbesserung ihrer Lebensqualität ermöglicht.
Viele Aufgaben haben wir nur in Kooperation mit anderen Partnern lösen können. Gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz z.B. haben wir Handlungsempfehlungen für den Schulsport entwickelt. Mit der deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft sowie mit dem Deutschen Sportlehrerverband haben wir ein Memorandum zum Schulsport erarbeitet. Darüber hinaus organisieren wir auch große Veranstaltungen zum Thema Bildung, so wie gerade erst vor einigen Wochen gemeinsam mit der Katholischen und der Evangelischen Kirche die Veranstaltung „Bildung ist mehr als Schule“.
RED: Unter dem Titel „Bildungsmanagement im organisierten Sport“ bieten die Führungs-Akademie und der DOSB den Bildungsreferentinnen und Bildungsreferenten der Mitgliedsorganisationen des DOSB eine vier Module umfassende Qualifizierungsreihe zur Vertiefung ihrer Managementkompetenz an. Warum sollten die Bildungsreferent(inn)en sich mit dem Thema Bildungsmanagement auseinandersetzen?
GUDRUN DOLL-TEPPER: Die Bildungsreferenten und -referentinnen in unseren Mitgliedsorganisationen organisieren, koordinieren und steuern die Bildungsarbeit in ihren jeweiligen Verbänden und Organisationen. Wir haben uns mit vielen Themen zu beschäftigen. Ganz wichtig ist dabei die Untersuchung, wie sich unsere demografische Entwicklung auf den organisierten Sport auswirkt.
Dann müssen wir die Rollen von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgleichen. Beide Gruppen haben z.B. eine unterschiedliche Zeitkultur.
Und natürlich müssen wir bei allen Überlegungen berücksichtigen, dass die Qualitätsanforderungen, wie sie heute im Bildungsbereich aufgestellt werden, im Vergleich zu früher deutlich gestiegen sind. Gerade deshalb sollen unsere Bildungsreferenten und -referentinnen richtig fit gemacht werden, um sich mit relevanten aktuellen Themen für die Weiterbildung auseinanderzusetzen. Denn nur dann werden sie in der Lage sein, in ihren Vereinen und Verbänden ein interessantes Qualifizierungsangebot bereitzustellen, dass zu den Vorstellungen und Bedürfnissen der dort Aktiven passt.
Und sie sollen den Bereich der Bildung insgesamt innerhalb ihrer Organisation gut positionieren. Seien wir doch ehrlich: Es ist ja keineswegs überall so, dass das Thema Bildung alle begeistert und von ihnen an die erste Stelle ihrer Aktivitäten gesetzt wird. Aber wir möchten, dass der Bildungsbereich eine angemessene Anerkennung findet.
RED: Was ist das Besondere an der Qualifizierungsreihe der Führungs-Akademie des DOSB?
GUDRUN DOLL-TEPPER: Hervorzuheben ist, dass die Führungs-Akademie des DOSB gemeinsam mit Vertretern des DOSB und seinen Mitgliedsorganisationen ein Programm entwickelt hat, das sich ganz gezielt an den Anforderungen der Lehrreferentinnen und -referentinnen orientiert. Das muss ja auch wirklich maßgeschneidert sein und muss genau für diese Zielgruppe passen. Es soll schließlich die Menschen, die daran teilnehmen, qualifizieren und ermutigen, auch ihre eigenen Kompetenzen weiter zu entwickeln. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sie im eigenen Verband zu einem zeitgemäßen Bildungsmanagement befähigt werden. Und daraus ergibt sich dann auch noch eine positive Außenperspektive für den Verband, der die Qualität seiner eigenen Bildungsarbeit auch nach außen hin bestens darstellen kann. [Hanspeter Detmer]
