Digitale Disruption im Sport? Vier Fragen an Gabriele Wach

Bereits vor einigen Wochen haben wir Gabriele Wach, Vorstandsmitglied der Führungs-Akademie und gemeinsam mit Prof. Dr. Ronald Wadsack Herausgeberin der Publikation „Digitale Disruption und Sportmanagement“ zum Thema Digitalisierung im Sport interviewt. Dann traf uns die Corona-Krise und die damit erzwungene Digitalisierungswelle mit voller Wucht.

Viele Geschäftsstellen arbeiten aktuell aus dem Homeoffice, organisieren sich über virtuelle Besprechungen und haben teilweise ihre Produkte und Angebote digitalisiert. Das Thema Digitale Transformation ist also aktueller denn je. Wir blicken in diesem Interview schwerpunktmäßig auf die Publikation, die bereits im letzten Jahr veröffentlicht wurde und betrachten mögliche Konsequenzen für die aktuelle Situation.

Red: „Digitale Disruption und Sportmanagement“ lautet der Titel des Sportmanagement-Bandes, den Sie im vergangenen Jahr gemeinsam mit Prof. Wadsack herausgebracht haben. Was war der Auslöser zur Herausgabe dieser Publikation?

G. Wach: Wir beschäftigen uns schon seit mehreren Jahren mit dem Thema Digitalisierung und Sportmanagement, in erster Linie in Bezug auf Sportvereine und -verbände. Wir sehen auf der einen Seite die denkbaren massiven Veränderungen auch eben für Sportvereine und -verbände und beobachteten eine sehr unterschiedliche Beschäftigung mit dem Thema. Von „gar nicht“ über „ein wenig“ bis „zukunftsorientiert und gestaltend“. Aber insgesamt wollten wir Anstöße geben, sich intensiver und offener mit diesem Thema zu befassen.

Die Tücke ist ja auch, dass das Thema Digitalisierung nicht „fertig“ ist. Der Entwicklungsprozess ist sehr dynamisch, neue technologische Möglichkeiten werden entwickelt und Anwendungen erscheinen in der Sportlandschaft. Hier gilt es frühzeitig Tendenzen und Strömungen zu erkennen und im Hinblick auf ihre Wirkung für die Vereins- und Verbandslandschaft zu bewerten. Und wie kürzlich in einer Überschrift zu lesen, bedeuten die Auswirkungen der Corona-Pandemie für viele Menschen und Organisationen einen „Crashkurs zum Thema Digitalisierung“.

Red: Wo sehen Sie konkret die Gefahren für den organisierten Sport, die mit einer digitalen Transformation einhergehen?

G. Wach: Die Vorreiter-Rolle der Verbände ist an vielen Stellen noch nicht sehr ausgepägt. Die Vereine dürfen mit diesen Themen nicht alleine gelassen werden. Andererseits gibt es vielfältige Ansätze bei Vereinen und Verbänden, was aber auch bedeuten kann, dass Ressourcen mit Doppelarbeiten aufs Spiel gesetzt werden. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, inwieweit die Erwartungen von künftigen Mitgliedern auch durch ihre Erfahrungen im Alltagsleben geprägt sein werden. Die Kommunikation und der mobile Service durch Organisationen, die Nutzung von Internet-Anwendungen, die Unterstützung sportlichen Trainings durch die digitale Anwendungen wie Trainings-Apps, Wearables oder die Vermischung von Präsenzaktivität und medialer Unterstützung sind sicherlich ein wichtiger Aspekt.

Auch hier können die Auswirkungen der Corona-Pandemie spürbar werden, wurden doch viele Menschen in Internetanwendungen gezwungen, die nicht alle nach Abklingen der Pandemie wieder verschwinden. Bargeldloses Zahlen, Internetkonferenzen, Onlinehandel können durch die aktuellen Erfahrungen massiv in den Vordergrund treten. Es gilt, aus der Vereins- und Verbandssicht zu prüfen, wie damit umzugehen ist. Auf der anderen Seite wird auch der Wert des persönlichen Miteinanders im eigenen Sportverein möglicherweise wieder einen deutlich höheren Stellenwert erlangen.
Eine Schwierigkeit ist die möglicherweise notwendige Investition in Technik und Wissen, z. B. über den Einsatz von Dienstleistern für die IT-Infrastruktur des Vereins. Das freiwillige Engagement wird hier an Grenzen stoßen.

Red: Inwieweit sehen Sie Unterschiede der digitalen Transformation von Vereinen und Verbänden?

G. Wach: Diese ergeben sich alleine aus der Zielstellung der Vereine und Verbände. Die Vereine sind v. a. auf ihre persönlichen Mitglieder und Partnerorganisationen wie Unternehmen oder Kommunen ausgerichtet. Ihre digitale Entwicklung muss sich vor allem in diese Richtung wenden. Die Verbände müssen aus unserer Sicht ihrer Aufgabe als Serviceorganisationen und Unterstützer der Vereine gerecht werden. Wegweiser durch die zukünftigen Entwicklungen durch eine umsichtige Zukunftsperspektive. Ein gutes Beispiel ist das Konzept „Sportverein 2030“ vom Niedersächsischen und Schwäbischen Turnerbund. Aber auch Beratungsangebote und konkrete Informationsangebote gehören genauso dazu wie konkrete technologische Lösungen wie z. B. DSGVO-sichere Cloudsysteme für den Sport. Letztendlich kann man auch hier nur die Vereine bestmöglich dabei unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden.

Red: Ist aus Ihrer Sicht unter Umständen auch die Haltung „wir bleiben analog und gehen nicht den Weg der Digitalisierung“ möglich?

G. Wach: Möglich ist alles, wohin es führen wird ist nicht wirklich prognostizierbar. Ein „wir bleiben analog“ kann den Verein gesellschaftlich abhängen oder aber als attraktiver Gegenpart zu der digitalisierten Welt gesehen werden. Vielversprechender ist aus unserer Sicht die Überlegung: was kann der Sportverein mit seiner Eigenart als Verein den Menschen künftig bieten, was sie woanders nicht bekommen? Digital Detox (Entzug aus der digitalisierten Welt), soziales Miteinander „in echt“ oder eben die sportliche Aktivität als Gegenpol zu den mehr unbewegten Momenten vor Bildschirmen sind zu überdenken und in schlagkräftige Angebote zu überführen.